(no subject)
Aug. 16th, 2012 09:25 am .
"Extrem Laut und Unglaublich Nah", mit Thomas Horn, Sandra Bullock und Tom Hanks. Regie Stephen Daldry.
Was für ein wundervoller, warmer und intelligenter Film.
Ich las über ihn vor geraumer Zeit (auf der Seite meiner Freunde im Livejournal, wofür ich nun sehr dankbar bin), sah ihn aber erst jetzt.
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"Extrem Laut und Unglaublich Nah", mit Thomas Horn, Sandra Bullock und Tom Hanks. Regie Stephen Daldry.
Was für ein wundervoller, warmer und intelligenter Film.
Ich las über ihn vor geraumer Zeit (auf der Seite meiner Freunde im Livejournal, wofür ich nun sehr dankbar bin), sah ihn aber erst jetzt.
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Aus 'Werke im Werden'
Aug. 9th, 2012 08:10 am.
Aber auch Hauptwerke von Philosophen nehmen ein viel reicheres und klareres Profil an, wenn man frühere Entwürfe, hartnäckige Hindernisse, von die sie gerieten, verworfene Lösungsversuche und wichtige Wendungen auf dem Weg hin zu einem solchen Werk kennen lernt.
...
Ist aber die Geschichte der Genesis eines Werkes einmal durchschaut, dann läßt sich von ihr her eine Kernidentität des Werkes bestimmen, auf die jede Rekonstruktion seines Gehaltes Rücksicht zu nehmen hat. Zudem erlaubt sie es, Interpretationen, in denen die Intentionen des Verfassers weitergeführt sind, von solchen zu unterscheiden, die dem Werk in einem ganz anderen Sachzusammenhang Bedeutung abgewinnen.
...
Ich habe diese Methode zuerst beschrieben und nach ihr gearbeitet, um die Entstehung der nachkantischen Philosophie verständlich werden zu lassen. In deren Frühgeschichte waren viele Personen so nahe miteinander verbunden und in ihrem Denken aufeinander bezogen, dass es unmöglich ist, im Ausgang von jeweils einer Biographie und Werkgeschichte den rasanten Prozess der Ausbildung einer neuen Denkweise nachzuvollziehen.
...
Dabei muss man davon ausgehen, dass im Denken der Zeit eine antagonische Problemlage aufgekommen war. Jede Seite des Antagomismus wurde als neu, als für die eigene Zeit und Zukunft charakteristisch und als uunaufgebbar erfahren, so dass die jungen Menschen, die ins Denken hineingezogen wurden, von diesem Antagonismus zugleich inspiriert wie auch bedrängt gewesen sind.
...
Doch sollen alle vier Stadien, auf die in der Folge eingegangen wird, vorab in Kürze charakterisiert werden.
(I) In einer frühen Phase ihres Nachdenkens gelangen bedeutende Autoren zu der Diagnose eines grundlegenden Defizits, welches die in ihrer Zeit vorherrschenden Lehren, trotz aller Differenzen zwischen ihnen, allesamt durchzieht. Aus diesem Defizit erklärt sich ihnen das Ungenügen, das ihr Studium dieser Lehren und ihre eigenen ersten Versuche untergründig begleitet hatte. (II) Nach anhaltendem Nachdenken und vielen Versuchen, das Defizit zu beheben, geht den Denkern der Entwurf einer philosophischen Konzeption auf - und zwar zusammen mit ihrer Bedeutung für die Lebensführung des Menschen - und beides zumindest sehr oft in einem einzigen plötzlichen Durchblick. (III) In der Folge wird diese Konzeption über lange Zeit geprüft, immer wieder auf andere Weise begründet und in Arbeitsgängen zu vielen Problembereichen differenziert. Die Verschiedenheit der Arbeitsweisen von Autoren lässt sich dabei an den Eigenarten der von ihnen überkommenen Notate und Skizzen erkennen. ... (IV) Zu Beginn eines vierten Stadiums gelingt dem Autor schließlich ein Plan für die Ausgestaltung seines Werkes. Er muss dazu taugen, in einem einzigen Gang und zwischen zwei Einbandseiten Zug um Zug all das zu begründen und zu entwickeln, dessen Umriss ihm zuerst in einer ursprünglichen Einsicht aufgegangen war.
...
Eben dies ist auch die Voraussetzung dafür, dass sie ein Verstehen von allem Wirklichen aufgehen lassen und zugleich als Perspektive maßgebend für einen Lebensweg sein können.
...
Und damit entspricht sie dem, was Menschen am meisten in Philosophie als Lebensberuf hineinzieht : die Faszination von Theorieproblemen großer Reichweite, die Erfahrung von einem Dunkel im eingewöhnten Lebensverstehen und das Bedürfnis, aus bedrängender Lebensunsicherheit herauszufinden durch ein belastbares Lebensverstehen und eine Lebensführung, die ihm entspricht.
...
Aber die Berichte, die auf uns gekommen sind, beschränken sich auch in der Moderne nicht auf Denker wie Jacob Böhme und Blaise Pascal. Bei ihnen hatten die Momente der Einsicht zugleich die Bedeutung einer vertieften Gründung ihrer Religion.
...
Gleich eingangs wendet er sich gegen die Philosophen und die Gelehrten, die innerhalb ihres Metiers Zugang zu einem Gott suchen. Nicht ihr Gott, sondern einzig "der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jacobs" wird von nun an sein Gott sein. Und nur auf den Wegen des Evangeliums ist dieser Gott, die Quelle lebendigen Wassers, zu finden. Pascal schrieb diesen Text, in dem er die Erfahrung "im Feuer" zweier Nachtstunden festhielt, in fliegender Schrift französisch und gelegentlich in Latein auf ein Stück Papier, das er in einen Rock einnähte. Dort wurde es nach seinem frühen Tod gefunden.
...
Dennoch hat die Erfahrung, über die sich Kant in seiner Notiz noch einmal verständigte, den Gehalt und die Anlage seines Hauptwerks bestimmt. In ihr gründet seine Lehre von dem Primat der praktischen Vernunft über die theoretische, welche das gesamte System durchgreift und ihm seine Struktur bestimmt.
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Kants lebhafte Anteilnahme an Rousseau ist vielfach belegt - so auch dadurch, dass dessen Porträt das einzige Bild an den Wänden seiner Wohnung gewesen sein soll.
Dieter Henrich, Werke im Werden (2011)
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Aber auch Hauptwerke von Philosophen nehmen ein viel reicheres und klareres Profil an, wenn man frühere Entwürfe, hartnäckige Hindernisse, von die sie gerieten, verworfene Lösungsversuche und wichtige Wendungen auf dem Weg hin zu einem solchen Werk kennen lernt.
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Ist aber die Geschichte der Genesis eines Werkes einmal durchschaut, dann läßt sich von ihr her eine Kernidentität des Werkes bestimmen, auf die jede Rekonstruktion seines Gehaltes Rücksicht zu nehmen hat. Zudem erlaubt sie es, Interpretationen, in denen die Intentionen des Verfassers weitergeführt sind, von solchen zu unterscheiden, die dem Werk in einem ganz anderen Sachzusammenhang Bedeutung abgewinnen.
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Ich habe diese Methode zuerst beschrieben und nach ihr gearbeitet, um die Entstehung der nachkantischen Philosophie verständlich werden zu lassen. In deren Frühgeschichte waren viele Personen so nahe miteinander verbunden und in ihrem Denken aufeinander bezogen, dass es unmöglich ist, im Ausgang von jeweils einer Biographie und Werkgeschichte den rasanten Prozess der Ausbildung einer neuen Denkweise nachzuvollziehen.
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Dabei muss man davon ausgehen, dass im Denken der Zeit eine antagonische Problemlage aufgekommen war. Jede Seite des Antagomismus wurde als neu, als für die eigene Zeit und Zukunft charakteristisch und als uunaufgebbar erfahren, so dass die jungen Menschen, die ins Denken hineingezogen wurden, von diesem Antagonismus zugleich inspiriert wie auch bedrängt gewesen sind.
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Doch sollen alle vier Stadien, auf die in der Folge eingegangen wird, vorab in Kürze charakterisiert werden.
(I) In einer frühen Phase ihres Nachdenkens gelangen bedeutende Autoren zu der Diagnose eines grundlegenden Defizits, welches die in ihrer Zeit vorherrschenden Lehren, trotz aller Differenzen zwischen ihnen, allesamt durchzieht. Aus diesem Defizit erklärt sich ihnen das Ungenügen, das ihr Studium dieser Lehren und ihre eigenen ersten Versuche untergründig begleitet hatte. (II) Nach anhaltendem Nachdenken und vielen Versuchen, das Defizit zu beheben, geht den Denkern der Entwurf einer philosophischen Konzeption auf - und zwar zusammen mit ihrer Bedeutung für die Lebensführung des Menschen - und beides zumindest sehr oft in einem einzigen plötzlichen Durchblick. (III) In der Folge wird diese Konzeption über lange Zeit geprüft, immer wieder auf andere Weise begründet und in Arbeitsgängen zu vielen Problembereichen differenziert. Die Verschiedenheit der Arbeitsweisen von Autoren lässt sich dabei an den Eigenarten der von ihnen überkommenen Notate und Skizzen erkennen. ... (IV) Zu Beginn eines vierten Stadiums gelingt dem Autor schließlich ein Plan für die Ausgestaltung seines Werkes. Er muss dazu taugen, in einem einzigen Gang und zwischen zwei Einbandseiten Zug um Zug all das zu begründen und zu entwickeln, dessen Umriss ihm zuerst in einer ursprünglichen Einsicht aufgegangen war.
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Eben dies ist auch die Voraussetzung dafür, dass sie ein Verstehen von allem Wirklichen aufgehen lassen und zugleich als Perspektive maßgebend für einen Lebensweg sein können.
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Und damit entspricht sie dem, was Menschen am meisten in Philosophie als Lebensberuf hineinzieht : die Faszination von Theorieproblemen großer Reichweite, die Erfahrung von einem Dunkel im eingewöhnten Lebensverstehen und das Bedürfnis, aus bedrängender Lebensunsicherheit herauszufinden durch ein belastbares Lebensverstehen und eine Lebensführung, die ihm entspricht.
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Aber die Berichte, die auf uns gekommen sind, beschränken sich auch in der Moderne nicht auf Denker wie Jacob Böhme und Blaise Pascal. Bei ihnen hatten die Momente der Einsicht zugleich die Bedeutung einer vertieften Gründung ihrer Religion.
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Gleich eingangs wendet er sich gegen die Philosophen und die Gelehrten, die innerhalb ihres Metiers Zugang zu einem Gott suchen. Nicht ihr Gott, sondern einzig "der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jacobs" wird von nun an sein Gott sein. Und nur auf den Wegen des Evangeliums ist dieser Gott, die Quelle lebendigen Wassers, zu finden. Pascal schrieb diesen Text, in dem er die Erfahrung "im Feuer" zweier Nachtstunden festhielt, in fliegender Schrift französisch und gelegentlich in Latein auf ein Stück Papier, das er in einen Rock einnähte. Dort wurde es nach seinem frühen Tod gefunden.
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Dennoch hat die Erfahrung, über die sich Kant in seiner Notiz noch einmal verständigte, den Gehalt und die Anlage seines Hauptwerks bestimmt. In ihr gründet seine Lehre von dem Primat der praktischen Vernunft über die theoretische, welche das gesamte System durchgreift und ihm seine Struktur bestimmt.
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Kants lebhafte Anteilnahme an Rousseau ist vielfach belegt - so auch dadurch, dass dessen Porträt das einzige Bild an den Wänden seiner Wohnung gewesen sein soll.
Dieter Henrich, Werke im Werden (2011)
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